Geschichte

Auch wenn es auf der Insel Ouessant so gut wie ausgestorben war,  das kleine Ouessantschaf erfreut sich inzwischen in etlichen europäischen Ländern grosser Beliebtheit. Im Folgenden finden Sie eine Übersetzung des Artikels über die Rassegeschichte von der Website des Französischen Vereins “Groupement des Eleveurs de Moutons d’Ouessant” GEMO, sowie weitere Informationen über die Verbreitung der Rasse in Europa und insbesondere der Schweiz.

Von der Insel in die Berge …

Das Ouessantschaf, auch Bretonisches Zwergschaf genannt, ist mit etwa einem Siebtel des Gewichts eines Merinolandschafs die kleinste Schafrasse der Welt. Unter den kargen Lebensbedingungen und dem rauhen Klima der Atlantikinsel Ouessant, westlich der Bretagne, entwickelte sich diese sehr kleine, robuste Schafrasse, die nur geringe Futteransprüche stellt. Ouessant Schafe wurden früher wegen der Wolle gehalten, mit 5% liefern sie eine sehr hohe Wollmenge im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht. Etwa um 1920, mit Verlagerung des Schwerpunkts der Schafhaltung von der Woll- auf die Fleischproduktion, verschwand das reinrassige Ouessant von der Insel. Bewahrt vor dem Aussterben wurde die Rasse durch einige vermögende Privatleute auf dem Festland, die Ouessantschafe als Dekoration und jagdbares Wild auf ihren Gütern hielten.

Das Ouessantschaf war fast ausgestorben, als Herr Abbe und seine Kollegen in den 70igern die Groupement des Eleveurs de Moutons d’Ouessant gründeten. Aufgrund der Arbeit der G.E.M.O. hat sich der Bestand in Frankreich von 486 Tieren 1977 auf 2631 Tiere (2481 schwarz, 136 weiss, 14 andere) im Jahr 2000 erhöht. Auf den jährlichen Concours National zeigt sich die Qualität der Zuchtbemühungen. Über Belgien kam das Ouessantschaf in die Niederlanden, wo es sich grosser Beliebtheit erfreut. Die 1987 entstandene Fokkersvereniging OuessantSchapen gibt für das Jahr 2000 einen Bestand von 703 Widdern (434 schwarz, 92 weiss, 165 braun, 12 schimmel) und 2661 Auen (1735 schwarz, 260 weiss, 631 braun, 35 schimmel) an, dabei werden jedoch auch unbewertete Tiere gezählt. Auch in Deutschland sind in einigen Landesschafzuchtverbänden Ouessantschafe eingetragen, der 2006 gegründete Verein IG OUessantschafe Deutschland hat zum Ziel die züchterischen Aktivitäten in Deutschland zu lenken.

Der Versuch am 22.4.2007 die schweizerische Interessengemeinschaft Ouessantschaf zu gründen, mit dem erklärten Ziel einen Rassestandard für die Anerkennung der Rasse im Schweizer Schafzuchtverband aufzustellen, ist leider im Sande verlaufen. Der zweite Anlauf führte am 21.3.2014 zur Gründung des Vereins “Ouessantschafe Schweiz“, dessen erste Generalversammlung am 7. November 2014 in Brunegg AG stattfand. Im Winter 2014/2015 wurden bereits bei 30 Mitgliedern knapp 300 Tiere bewertet und im Herdbuch registriert.

Am 6.1.2016 fand in Neerwinden, Belgien, ein Treffen mit Vertretern der französischen GEMO, des niederländischen FOS, des belgischen BOV, der englischen OSS, der deutschen IGOU und Ouessantschafe Schweiz statt, mit dem Ziel den Rassestandard international zu vereinheitlichen. Insbesondere wegen der in den Niederlanden verbreiteten Schimmel konnte noch keine Einigung erzielt werden.

Die französischen Wurzeln

Wir stellen hier einige Etappen aus der Geschichte der Rasse vor und stützen uns dabei auf die Recherchen von M. G. Tronson.

Schon seit jeher ziehen die Schafe, die an den Küsten der Insel Ouessant weiden, die Aufmerksamkeit der Reisenden, Seeleute und Fischer auf sich.

  • Ab 1754 wurden die Ouessant-Schafe als zwar kleine, jedoch ausgezeichnete Tiere beschrieben.
  • 1899 wurde die Rasse folgendermassen charakterisiert: «Sie tragen ein sehr dichtes Wollvlies, das sie gegen den Regen schützt und sie im ungeschorenen Zustand recht massig erscheinen lässt. Doch was nach der Schur noch übrig bleibt, ist kaum noch so gross wie ein Hund. Eine Keule des äussert schmackhaften Fleisches reicht gerade aus, um zwei Leute satt zu machen. Die Rasse ist charakteristisch für die Insel, sie ist sehr klein und trägt grosse, geschwungene Hörner, die denen der Mufflons gleichen.»
  • 1852 zählte man 6000 Schafe auf der 1562 Hektar grossen Insel. Die Schafe wurden mittels Ohrkerben markiert (1970 waren 510 Markierungen bei der Verwaltung registriert). – Ende des 19. Jahrhunderts versuchte man, grössere Tiere auf der Insel anzusiedeln, jedoch mit wenig Erfolg.
  • 1920 wurde die Rasse folgendermassen beschrieben: «Es handelt sich um eine Rasse von kleinem Wuchs, die sich langsam entwickelt und nur 35–40 cm gross wird. Die Wolle ist schwarz, teilweise mit weissen Flecken am Kopf; die Böcke haben kleine, glatte, nach hinten geschwungene Hörner. Die Wolle ist kurz und kraus. Die Qualität des Fleisches gilt als ziemlich gut.»
  • 1935 lief das griechische Schiff Mikonos auf Grund, wodurch ein Bock und zwei Mutterschafe auf die Insel gelangten. Die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begonnene Vermischung der Rassen setzte sich fort, und in den 1970er-Jahren galt das Ouessant-Schaf als ausgestorben. Dank den Aufzeichnungen von Paul Abbé, dem Gründungspräsidenten des Zuchtverbands GEMO, wissen wir heute mehr über die Herkunft und den Bestand der Rasse vor der GEMO-Gründung.
  • Zwischen 1943 und 1946 wurden im Pariser Jardin des Plantes Ouessant-Schafe entdeckt. Es handelte sich um eine Herde von etwa 10 Tieren, alle schwarz, offensichtlich klein, die Böcke mit schönen Hörnern.
  • Um 1960 Entdeckung des weissen Farbschlags dank einer Herde von 20–25 Schafen, die auf den Wiesen eines Schlosses am Ufer der Sèvre Nantaise unweit von Nantes (Gemeinde Vertou) weideten.
  • Um 1969 entdeckte Paul Abbé bei Madame Martin in Orvault in der Nähe von Nantes 4 oder 5 Ouessant-Schafe. Um 1970 schenkte ihm Madame Martin ein Pärchen, mit dem er schliesslich seine Zuchttätigkeit aufnahm. Die beiden Schafe stammten von der Vendée-Linie ab und waren ganz schwarz. Die Böcke dieser Linie hatten kräftige, jedoch weniger schöne Hörner als diejenigen im Pariser Jardin des Plantes.
  • Beim Grafen de Lantivy auf Schloss Meudon, zwischen Vannes und Questembert, entdeckte Paul Abbé eine Herde von etwa 50 Schafen. Sie waren alle schwarz, kleiner als diejenigen von Madame Martin und stammten aus der Vendée, die Böcke hatten jedoch schlechte Hörner (und da man sich vor gehörnten Böcken fürchtete, wurden diese geopfert). Die Herden in Goulaine «aus der Morbihan-Linie, denn diese Rasse ist in Morbihan vorherrschend», entstanden vor 1914 oder sogar bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Man tauschte die Böcke zweier Herden untereinander aus. Die Böcke in Sarthe waren in der Regel grösser als diein Loire-Atlantique. Es gab schwarze, aber auch weisse, und die Böcke trugen schöne Hörner. Diese Herden bildeten den Ursprung der Herden in Kerghéhennec und damit auch derer von Fürst de Lantivy, Madame du Fou und im Parc d’Armorique.
  • Drei kleine Zuchten im Norden umfassten 12 Tiere.

 

Herkunft Bestand Merkmale
Jardin des Plantes de Paris 10 Schwarz Böcke mit kräftigen, schönen Hörnern, weiter Hornstellung, etwas zu gross
Linie Morhibannaise 250 mehrheitlich schwarz, einige weiss Böcke grösstenteils mit schwach ausgeprägten Hörnern, klein
Linie Vendéenne 90 schwarz Böcke mit kräftigen Hörnern, mittlerer Hornstellung, eher gross
Linie Nord 12 schwarz Böcke mit kräftigen Hörnern, mittlerer Hornstellung, eher gross